05. Aug 2024
Zeitungsartikel vom 04.07.2024
Vielen Dank an die Sz/Bz, dass wir diesen Artikel auf unserer Homepage veröffentlichen dürfen!
Den Originalartikel finden sie *Hier*
Von Esther Elbers
Das Hospiz in Böblingen soll im nächsten Jahr fertig sein. Die Lebensqualität in der letzten Lebenszeit eines jeden Gastes steht für die St.-Elisabeth-Stiftung mit Sitz in Bad Waldsee als Betreiber im Mittelpunkt Böblingen.
Die Bauarbeiten für das Hospiz in der Böblinger Talstraße laufen. Die St.-Elisabeth-Stiftung mit Sitz im oberschwäbischen Bad Waldsee wird die stationäre Einrichtung für schwer kranke und sterbende Menschen betreiben. Die SZ/BZ sprach mit Andrea Thiele, Vorstandssprecherin der Stiftung, über die Hospizarbeit und das Vorhaben in Böblingen.
Sind Sterben und der Tod heute noch Tabuthemen, oder stellen Sie ein Umdenken fest?
Andrea Thiele:
„Sterben und der Tod sind Themen, die traditionell oft tabuisiert wurden. Allerdings hat sich dies in unserer Wahrnehmung in den letzten Jahren merklich verändert. Die Hospiz- und Palliativbewegung hat wesentlich dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Bedürfnisse sterbender Menschen zu schärfen. Sehr viele Menschen sind an diesem Wandel beteiligt. Wegbereiter sind unter anderem die vielen ambulanten Hospizgruppen. Viele Menschen spenden oder engagieren sich als Ehrenamtliche in unseren Hospizen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Berührungsängste abnehmen und die Menschen Hospizarbeit wertschätzen.“
Wie kam die St.-Elisabeth-Stiftung, die vor allem in der Altenhilfe, der Behindertenhilfe und in der Kinder- und Jugendhilfe tätig ist, dazu, Hospize zu betreiben? Wie kamen Sie auf den Standort in Böblingen?
Andrea Thiele:
„Unser erstes Hospiz war das Hospiz Haus Maria in Biberach. Es geht unter anderem auf die Initiative des Fördervereins Hospiz im Landkreis Biberach zurück. Das ist ein Muster, das sich wiederholt. Die Idee kommt von einer Bürgerinitiative, einer Stadt oder einem Landkreis, und wir werden aufgrund unserer Expertise gefragt, ob wir den Betrieb des Hospizes übernehmen können. So war es in Nagold, und so ist man wiederum auch hier in Böblingen auf uns aufmerksam geworden.“
Der Hospiz-Standort direkt am Bahnhof mitten in der Stadt war umstritten. Wie sehen Sie das?
Andrea Thiele:
„Wir befürworten den Standort und können auf die Erfahrungen mit unserem ersten Hospiz verweisen. Das Hospiz Haus Maria liegt mitten im Stadtzentrum von Biberach.
Das ist auch ein Zeichen dafür, dass wir als Gesellschaft den Tod als Teil des Lebens verstehen - auch Sterbende gehören doch ganz selbstverständlich in unsere Mitte. Das Hospiz Haus Maria zeigt: Mitten in der Stadt kann man ein Hospiz so gestalten, dass es alle Rückzugsmöglichkeiten bietet, die seine Gäste benötigen.“
Welches Anliegen steht bei Ihren Hospizen im Fokus?
Andrea Thiele:
„Im Mittelpunkt steht für uns immer die Lebensqualität jedes einzelnen Hospizgastes. Wir unterstützen ihn zusammen mit seinen Angehörigen dabei, seine letzte Lebenszeit so bewusst und zufrieden wie möglich zu erleben. Die Arbeit eines Hospizes ist nicht darauf ausgelegt, mit medizinischen Mitteln Leben zu verlängern oder zu verkürzen. Es geht darum, Symptome wie Schmerzen mit den Mitteln der Palliativpflege und Palliativmedizin zu lindern und Menschen zu begleiten. Das steht für uns an erster Stelle.“
Wann kommen Menschen in ein Hospiz?
Andrea Thiele:
„Aufgenommen werden Menschen, die an einer nicht heilbaren Krankheit im weit fortgeschrittenen Stadium leiden und deren Pflege und Begleitung zu Hause nicht möglich ist. Voraussetzung für die Aufnahme ist die Überweisung durch einen Haus- oder Klinikarzt. Unsere Hospize stehen allen Menschen offen, unabhängig von Alter, Nationalität und Religion.“
Wie lange bleiben die Gäste im Hospiz? Endet der Aufenthalt immer mit dem Tod?
Andrea Thiele:
„Der Aufenthalt kann von wenigen Stunden bis zu mehreren Wochen manchmal auch Monaten, dauern. In der Regel endet der Aufenthalt mit dem Tod. Es ist extrem selten, dass Hospizgäste noch einmal nach Hause wechseln können.“
In Baden-Württemberg gibt es laut Verband der Ersatzkassen aktuell 27 Hospize. Wie groß ist der tatsächliche Bedarf?
Andrea Thiele:
„Das können wir nicht sagen. Wir können nur berichten, dass unsere Hospize in der Regel voll belegt sind.“
Wie werden Hospize finanziert? Was müssen die Gäste bezahlen?
Andrea Thiele:
„Hospizaufenthalte werden von den Krankenkassen bezahlt, auf die Gäste kommen also keine Kosten zu. Der Gesetzgeber hat allerdings festgelegt, dass die Krankenkassen nur 95 Prozent der Kosten von Hospizen tragen. Fünf Prozent müssen durch Zuwendungen und Spenden erbracht werden. Im Fall von Böblingen werden das pro Jahr geschätzt 150 000 Euro sein. Das ist eine gewaltige Summe. Dieser Abmangel ist über einen Kooperationsvertrag mit den Städten Böblingen und Sindelfingen, dem Landkreis Böblingen, den Kirchengemeinden Böblingen und dem Hospizverein Böblingen-Sindelfingen e. V. für fünf Jahre gedeckt. Dafür sind wir sehr dankbar. Es werden aber weitere Kosten auf uns zukommen. Wir mieten ja ein normales Gebäude, das wir erst zum Hospiz ertüchtigen, also ausbauen werden. Sondereinbauten und andere Ausstattung werden rund 1,3 Millionen Euro kosten. Nur einen Teil dieser Kosten werden die Krankenkassen finanzieren. Deshalb brauchen wir die Unterstützung von Spendern. Besonders dankbar sind wir hier den Mitgliedern des Hospizvereins Region Böblingen-Sindelfingen e.V.“
Mit einem Hospiz verbinden viele Menschen vor allem Trauer. Gibt es auch positive oder gar glückliche Momente für die Gäste, Angehörigen und Mitarbeiter?
Andrea Thiele:
„In einem Hospiz sterben Menschen, da sind Tod und Trauer ständige Begleiter. Aber es gibt jeden Tag auch viele Momente von Freude und Glück. Durch Angehörige und Freunde. Durch die persönliche Zuwendung des Teams und von Ehrenamtlichen. Durch gemeinschaftliche Aktivitäten, durch ein Konzert, durch den Besuch von besonderen Personen. Durch die Erfüllung eines letzten Wunsches.“
Quelle: Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung, Esther Elbers